Magnetic Pages Article | 1997-11-02 | 8KB | 152 lines
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' Was ist los mit unseren Kindern?
G Immer mehr geraten auf die schiefe Bahn. Sie klauen, rauben, pr
geln.
[34mAnfang Juni 1997 in
[38mHamburg
[34m: Im Arbeiter-Stadtteil Wilhelmsburg entdecktG die Polizei in einer Wohnung ein Rauschgift-Depot. 5,1 Kilo Heroin mitJ einem Verkaufswert von 225 000 Mark. Die Dealer sind erst 16 und 17 Jahre
alt.
O Seebeck in
[38mBrandenburg
[34m, keine 14 Tage sp
ter: Unweit des idyllischenE Dorfes wird die kleine Anne-Katrin (8) tot aufgefunden - missbraucht. und ermordet. Ein 13j
hriger gesteht die Tat.
[38mL
[34m, Ende August: Morgens um kurz vor sechs wird eine 57j
hrige FrauH auf offener Strasse brutal erstochen. Die T
ter entrei
en ihr die Hand-J tasche, fl
chten mit zehn(
[38m!
[34m) Mark Beute. Sie sind 17 Jahre alt.
0 Habgier, Coolness, Gewaltbereitschaft
[34mDrei Straftaten - ver
bt von Kindern oder Jugendlichen, die noch zurG Schule gehen. Gepr
gt durch Habgier, m
rderischer Coolness und die Be-H reitreitschaft zur Gewalt. Und diese Taten sind nur die Spitze des Eis-
bergs.
> Erschreckend: der Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalit
[34m1996 wurden 277 000 jugendliche Tatverd
chtige im Alter zwischen 14 und( 18 Jahren gez
hlt - 33% mehr als 1993.
[34m1996 waren 130 000 T
ter sogar j
nger als 14 Jahre - 48% mehr als 1993.H Weiter in der Statistik des Jagres 1996: Die h
ufigsten Straftaten derI jungen Leute unter 18 waren Ladendiebstahl, schwerer Diebstahl, Sachbe-" sch
digung und K
rperverletzung.
[34mSachbesch
digungs-Delikte nahmen zwischen 1993 und 1996 bei Kindern und! Jugendlichen jeweils um 52% zu.
[30m
[34mErschreckend hoch auch die Zahl der K
rperverletzungen: Bei 14- bisH 18j
hrigen verzeichnet das Bundeskriminalamt einen Anstieg um 47%, beiJ Kindern unter 14 Jahren eine Zunahme gar um 65%. In Gro
dten geht in-K zwischen etwa 40% der Gewaltdelikte und fast 75% aller F
lle von Stra
en-$ raub auf das Konto Minderj
hriger.
" Die Angst vor Verbrechen w
[32;1mDie gro
e Sorge der Eltern:
[0;34m Wird mein Kind irgendwann in den Strudel der" Kriminalit
t hineingerissen?
[33mS
[32;1mDie gro
e Sorge vieler Menschen in Deutschland:
[0;34m Bin ich noch sicher?K Umfragen haben ergeben, dass mittlerweile 40% der Bundesb
rger Angst davorG haben, Opfer eines Verbrechen zu werden - doppelt soviele wie vor zehn
Jahren.
I Kinder, die klauen, Autos knacken, Leute
berfallen - das ist der Stoff,B aus dem das ZDF eine Serie produziert hat: "Die Kids von Berlin".1 Sendestart ist Mittwoch, 29. Oktober, 19.25 Uhr.K "Wir wollen damit die Konflikte aufzeigen, die Jugendliche heute in dieserK Stadt haben", erkl
rt Serien-Autor Felix Huby. Seine Kriminalhauptkommisa-H rin Romy Herzog und die Kollegen ihres Dezernats jagen die jungen T
ter: daher nicht nur, sie k
mmert sich auch um deren Probleme.
K Die Realit
t sieht
hnlich aus. Im Berliner Landeskriminalamt 143 arbeitetL die Jugendbeauftragte Christine Burck (44), ebenfalls Kriminalhauptkommisa-I rin. In einem Gespr
ch macht sie vor allem den besorgten Eltern erst malJ Mut: "Bei 80% der von uns ermittelten jungen T
ter bleibt das Delikt eineJ Episode." Eltern m
ssen also nicht gleich das Schlimmste bef
rchten, wennJ ihr Kind mit der Polizei in Konflikt ger
t. Alarmzeichen sind Gesetz
ber-J tretungen jedoch allemal. "Denn", so Burck, "die
brigen 20% werden mehr-? mals straff
llig. Und 5% davon machen eine richtige Karriere."
[32;1mDas Problem der Polizei:
[0;34m Sie kann Straft
ter unter 14 Jahren nicht fest-J halten. Diese Kinder sind nach
19 StGB strafunm
ndig. Und im Alter zwi-: schen 14 und 18 unterliegen sie dem Jugendgerichtsgesetz.
K In Berlin und in anderen Gro
dten gibt es zwar Kindernotdienste mit ge-I schulten Familienhelfern. Die stehen straff
llig gewordenen Menschen und* ihren Familien mit Rat und Tat zur Seite.
[1mAber:
[0;34m Diesses Angebot mu
freiwillig in Anspruch genommen werden.H Und auf dem "platten Land" fehlen solche Einrichtungen leider sehr oft.
;
[32mWelche Kinder geraten auf die schiefe Bahn?
D Junge Intensivt
ter - mit mindestens zehn polizeilichen ermitteltenI Straftaten pro Jahr - haben in der Regel einen
hnlichen famili
ren Hin-
tergrund.J Christine Burck: "Die meisten verbindet der verzweifelte Wunsch nach mehrJ Anerkennung. Viele f
hlten sich von ihren Eltern vernachl
ssigt, bekommenH Taschengeld statt Aufmerksamkeit oder Pr
gel statt Liebe. Den wenigsten3 wird ein Rechts- und Normenverst
ndnis vermittelt.I Hinzu kommen die wachsende Arbeits- und Perspektivlosigkeit, Alkohol undJ bei ausl
ndischen Straft
tern Konflikte mit der Eingliederung in die deu-
tsche Kultur."
[32;1mWas manchen vielleicht
berraschen mag:
[0;34m Bei Kindern aus gut integriertenI Ausl
nderfamilien liegt die Kriminalit
tsrate unter dem Durchschnitt der
deutschen Jugendlichen.J Besonders gef
hrlich f
r die jungen Menschen und die Gesellschaft ist die
Gruppengewalt.H "Seit Ende der 80er Jahre geh
ren Jugendbanden zur Berliner Szene", er-
rtJ Christine Burck. "Aber w
hrend es fr
her feste Gruppen mit Kampfnamen undH eigenen Symbolen gab, setzen sich viele heute nur noch locker zusammen.H Ihre Anf
hrer sind h
ufig Jugendliche mit krimi nellen Erfahrungen. DieD
brigen in der Gruppe machen spontan mit. Meistens aus Langeweile."
S Die zur Zeit angesagte Action hei
[38mAbziehen
[34m". Unter Androhung oder An-H wendung roher Gewalt nehmen die Banden ihren Opfern - es sind fast aus-I schlie
lich Gleichaltrige - ab, was sie am Leib oder in den Taschen tra-B gen. Hoch im Kurs stehen Zigaretten, modische Jacken und Walkman.
I Was Kenner der Szene gro
e Sorgen bereitet: Viele Kinder und JugendlicheQ scheuen nicht davor zur
ck, bei diesen "
[38mAbzieh
[34m"-Aktionen Waffen zu be-H nutzen - Baseballschl
ger, Schreckschuss- oder Gas-Pistolen oder MesserE aller Art. Christine Burck: "Die Hemmschwelle ist in den vergangenen# Jahren leider drastisch gesunken."
[32mLernen, in der Welt der Gewalt zu leben
I Warum werden immer mehr Kinder kriminell? Soziologen betrachten die Ent-H wicklung als Folge einer zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung in ArmF und Reich. Die Jugend nimmt sich mit Gewalt, was die Gesellschaft ihr
nicht freiwillig geben will.
F Der Journalist Dietmar Pieper, Redakteur beim Nachrichtenmagazin "DerI Spiegel", hat in seinem Buch "Leben in einer Kultur der Gewalt" (Aufbau-K Verlag) eine ganze neue These zur Kinderkriminalit
t aufgestellt. Zun
chstK nimmt er uns die Hoffnung auf eine Gewaltfreie Welt. Er warnt sogar, davonA zu tr
umen oder Kinder zu absoluten Gewaltlosigkeit zu erziehen.
I Pieper: "Wir leben in einer Kultur der Gewalt. Wir m
ssen deshalb Kinder$ zeigen, wie man mit Gewalt umgeht."K Das macht auch Christine Burck: Wir gehen immer wieder in Schulen, Jugend-E heime und Kirchengemeinden, reden mit Jugendlichen und Erwachsenen."
J Allerdings: Ein Erfolg dieser Gespr
che ist nicht messbar. Bleibt zu w
n-I schen, dass die Serie "Die Kids von Berlin" vielen Kindern und Eltern zu
neuen Einsichten verhilft.
*
Silvio
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